Interview mit Tino Hemmann, Engelsdorfer Verlag, Teil II
Hier die Antworten von Tino Hemmann auf Fragen, die direkt Autoren betreffen, die Bücher veröffentlichen wollen. Und ich kann euch versprechen, es sind gute Antworten.
Tino Hemmann
Engelsdorfer Verlag
Schongauerstr. 25
04329 Leipzig
Und last, but not least:
Nach welchen Kriterien suchen Sie die
Bücher aus, die Sie veröffentlichen?
Mein Verlag ist ein Autorenverlag für eher
unbekannte Leute. Es gibt einige wenige Bücher, die finanziell die Masse der
Veröffentlichungen tragen, sonst wäre es nicht möglich, so viele Manuskripte
verschiedener Genres zu veröffentlichen.
Die Kriterien sind ähnlich denen eines
großen Verlages, nur dass ich ein Kriterium vernachlässige, das bei den großen
Verlagen wahrscheinlich das wichtigste ist, nämlich das des Bekanntheitsgrads
meiner Autorinnen und Autoren.
Ein weiteres Kriterium spielt bei mir eine
Rolle, das bei anderen Verlagen vielleicht überhaupt keine Rolle spielt: Der
soziale, gesundheitliche und menschliche Zustand des Autors.
Ich habe Bücher
veröffentlicht, weil ich wusste, dass die Veröffentlichung das Leben bestimmter
Menschen verändern – sprich verbessern wird. Mitunter ist es die
Vergangenheitsbewältigung, mitunter sind es schwere Handicaps der Autoren,
durch die sie bei anderen Verlagen abprallen. Ansonsten schauen wir natürlich
auch auf die Qualität der Texte, sehen jedoch häufig, dass Texte so interessant
für die Öffentlichkeit sind, dass auch schlechtere „repariert“ werden können.
Ich nehme mich sehr gern jener Thematiken an, die von den meisten Verlegern
abgelehnt werden – ob es nun um NATO-Bomben oder andere sozialkritische Themen
geht, wie kürzlich das Buch „Die Tage von Gezi“ von ZDF-Auslandkorrespondent
Martin Niessen.
Zudem will ich natürlich unsere bekannten Reihen mit Leben
füllen, die da sind die „Engelsdorfer Lyrikbibliothek“ und „Engelsdorfer
Kinderbuch“. Ansonsten bin ich frei von Vorurteilen gegenüber allen möglichen
Genres.
Deshalb ist unser Programm auch recht bunt.
Welche hätte überhaupt keine Chance in
Ihrem Verlag?
Es gibt intern klare Festlegungen, was bei
mir nicht veröffentlicht wird. Dazu gehören Texte, die rechtes oder
demokratiefeindliches Gedankengut publizieren wollen, pornografische Werke und
Manuskripte, bei denen die Gefahr einer Urheber- oder
Persönlichkeitsrechtsverletzung besteht. Und es gibt natürlich auch
Manuskripte, denen völlig die Substanz fehlt – aus welchen Gründen auch immer.
Jetzt wisst ihr, warum ich euch diesen Verlag vorgestellt habe.
Hier die Kontaktadressen:
Facebook, Engelsdorfer Verlag.
Wie schaffen Sie es, Verlag und eigene
Schriftstellerarbeit unter einen Hut zu bringen?
Ich schaffe das – ehrlich gesagt – nicht
immer. In den letzten zehn Monaten kam ich beispielsweise nicht zum Schreiben.
Stattdessen habe ich mich bemüht – was jeder Autor per innerstes Bedürfnis tun
sollte – über Lesungen und Veranstaltungen meine Bücher, und selbstverständlich
die meiner Verlagsautoren, bekannt zu machen.
In den letzten Monaten galt es
große Buchprojekte zu betreuen. Andererseits ist für mich das Schreiben als
solches eine Erholung, das Herunterfahren von Körper, Geist und Seele, das
Eintauchen in andere Welten und damit das zeitlich begrenzte Vergessenmachen
alltäglicher Sorgen und Ängste.
Wenn ich schreibe, dann meist nachts.
Ich habe
jetzt fast 2000 Autoren aus 27 Ländern unter Vertrag, fast wöchentlich eine
oder mehrere Veranstaltungen, da bleibt nicht viel Zeit für die eigenen Ideen.
Ich bin aber auch ganz stolz auf das Erreichte und die kleinen Erfolge meiner
Autoren und auch meiner eigenen Bücher. Trotz aller Probleme waren einige
unserer Publikationen in den vergangenen Monaten oft in Presse, Funk und
Fernsehen zugegen.
Seit einem Jahr schreibe ich übrigens an einem neuen
Thriller und bin noch nicht über das Vorwort hinausgekommen. Ist das nicht auch
spannend?
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